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Kommentar: Warum erst jetzt?

Warum erst jetzt? Zwischen den Worten schwingt Überraschung mit, wenn Medien in diesen Tagen berichten, die Lobbyisten der Automobilindustrie wehrten sich gegen die weitere Verschärfung der sogenannten Flottengrenzwerte. Es ist europäisches Gesetz, dass in diesem Jahr alle Automodelle eines Unternehmens im Schnitt nicht mehr als 115 Gramm Kohlendioxid (CO2) pro 100 Kilometer emittieren dürfen. Ab 2025 sollen es 95 g/100km, ab 2030 weniger als 50 g/100 km und ab 2025 sollen die CO2-Emissionen bei null liegen. Wer das nicht schafft, zahlt Milliarden an Brüssel.

Der Zeitgeist hatte und hat seine Freude daran, dass der Automobilindustrie so die Pistole auf die Brust gesetzt wurde. Erst jetzt, mit der schweren Krise bei Volkswagen wird klar, dass diese moralische Pistole zugunsten es Klimas auch eine tödliche Waffe sein kann. Den meisten strategischen Köpfen in den Führungsetagen der Konzerne war das schon früh klar. Denn die EU entwickelte auch ein besonderes Verfahren, die Industrie aufs gewünschte Gleis zu setzen: Elektroautos wurden – der Realität trotzend – als Null-Emissions-Autos gewertet und auch noch mit einem Bonus bei der Flottenemissions-Rechnung heftig aufgewertet.

Bezeichnend eine kleine Szene aus der Zeit, in der der Genfer Salon noch eine wichtige strategische Messe der Auto-Welt darstellte: Bei einem Pressegespräch auf dem Mercedes-Stand schwärmte der Forschungsvorstand noch von Wasserstoff als der Energiequelle der Zukunft. Doch Dieter Zetsche pfiff ihn zurück: „So viel Zeit haben wir nicht“. Was er meinte, wurde spätestens klar, als später die ersten Mercedes-Benz unter der neuen Flottenregel auf den Markt kamen. Es waren schwere elektrifizierte Modelle. Damit wurde der Doppelbonus kassiert und so die großen Verbrenner abgesichert.

Die Deutschen waren und sind die Experten für die großen, starken und weltweit gefragten Modelle. Das Geschäft war nun in Gefahr. Nicht wenige waren und sind der Meinung, dass hätten die europäischen Wettbewerber mit geneigter Gleichgültigkeit in Kauf genommen, weil ihr Kleinwagenanteil deutlich höher war und sie damit deutlich weniger in die Technik eingreifen und deutlich langsamer die Preise erhöhen mussten. Heute fehlen den deutschen Herstellern die kleinen Elektroautos.

Aus Wolfsburg hört man, um die Vorgaben der EU erfüllen zu können, müsste der Konzern einen E-Auto-Anteil von 25 Prozent schaffen oder viele Milliarden Strafe zahlen. Doch die Verkaufszahlen für die E-Mobile brechen gerade europaweit dramatisch ein. Volkswagen und andere müssten sich nun auf massive Rabatte einstellen oder – wie bei VW angekündigt – die Modelle mit Verbrennungsmotoren verteuern oder sie könnten sich zum Beispiel bei Tesla Emissionsrechte kaufen. Das hat dem Elektroauto-Guru Elon Musk über Jahre hinweg als einzige Quelle für die ausgewiesenen Gewinne gedient.

Die EU-Kommission hat wenig Grund, die Position und das entsprechende Gesetz zu ändern. Dass es sich um ein Problem der deutschen Industrie mit ihrem besonderen Produktportfolio handelt, zeigen die Aktivitäten des deutschen Verkehrsministers und die reservierten Reaktionen aus Europa. Ein Defätist, der das Industriepolitik durch die Hintertür nennt. Das gilt sicher auch für die jüngste Entwicklung, bei der deutschen Elektroautos ein Teil des Klimavorteils wieder abgesprochen wird, weil der Strom zu einem Teil immer noch aus Kohle gewonnen wird. Andere stromern eben mit Kernenergie.

Die Entwicklung des Klimas lässt uns in der Tat nur wenig Zeit für die richtigen Entscheidungen und deren Umsetzung. Aber das Thema der Flottengrenzwerte zeigt, wie schwer eine Öko- und Ecofolgenabschätzung tatsächlich fällt. Aus der Rückschau ist viel falsch gelaufen. Die Ziele der EU waren eben nicht allein am Klimaschutz ausgerichtet, sondern an der inbrünstigen Überzeugung, mit der Elektromobilität den einzig richtigen Schritt zu erzwingen. Und die Automobilindustrie fand nach den vielen Schwüren zum Elektroauto erst langsam zu einer realistischen Position: Wir brauchen jede wirksame Technologie. (aum)

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Peter Schwerdtmann.

Peter Schwerdtmann.

Foto: Auto-Medienportal.Net

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