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Korrespondenz zum Elektroauto: Als Allheilmittel taugt es nicht.

Mit großem Interesse verfolge auch ich die Diskussionen zum Thema „Elektromobilität“, und es freut mich, mit welcher Energie diese Problematik in Deutschland angegangen wird. Alles was Sie ausführen, ist völlig richtig – besonders natürlich die zentrale Rolle der Batterie. Dennoch aber muss ich mich oft darüber wundern, wie wenig dem Aufmerksamkeit gewidmet wird, was man früher „Gesamtsicht“ nannte.

Hier einiges, was mir dabei durch den Kopf geht:

Eine Million Elektromobile in 2020 sind weder ausreichend, die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu mindern, noch helfen sie dem Klima (wenn denn CO2 überhaupt den vermuteten Einfluss hat). 2020 kann das E-Mobil noch keine Antwort auf drängende Probleme sein. Als Allheilmittel taugt es wirklich nicht.

Wie es sich heute abzeichnet, werden die Elektromobile zu diesem Zeitpunkt den Kunden mit erheblichen Einschränkungen in Reichweite und Fahrleistung konfrontieren. Autos mit Range Extender sind eigentlich Hybridfahrzeuge, wenn sie über die angegebene Reichweite mit höherer Geschwindigkeit fahren sollen. Als Flautenschieber macht ein Extender allerdings Sinn. Supersportwagen mit drei Liter Verbrauch im Europazyklus sind aus meiner Sicht Augenwischerei. Es wäre einmal lustig, den Verbrauch zu erfahren, wenn die installierte Leistung auch nur annähernd abgerufen wird.

Bordspannungen von mehreren 100 Volt sind nicht nur für Werkstatt, Bergung und nach einem Unfall eine Gefahr. Es sind viele Situationen vorstellbar, bei denen sie für den Fahrer lebensbedrohlich werden können.

Es gibt sehr schöne, überzeugende Lösungen für Ladestationen und Ladestecker. Wie kommen eigentlich die vielen Fahrer zu einer vollen Batterie, die an der Laternengarage parken?

Es ist absehbar, dass gegenüber der verbrennungsmotorischen Zeit die Zahl derer zunehmen wird, die mit leerer Batterie liegen bleiben. Was tun? Den ADAC verstärken.

Viel wird über „Smart Grids“ geschrieben. Wer wird es sich leisten können, aus seinem mühselig aufgeladenen Auto wieder Ladung abzugeben, wenn Energie gebraucht wird, auch wenn es Geld bringt?

Wie werden die Werkstätten kleinere und größere Schäden an CFK-Teilen reparieren?

Das ist nur ein Teil der zu lösenden Probleme. Ich weiß und bin überzeugt: Das alles ist lösbar und wird gelöst werden. Mit fortschreitender Entwicklung werden dabei erfahrungsgemäß die Kosten sinken. Alle Problemkreise müssen aber praktisch gleichzeitig angegangen werden. Da fehlt es in der Öffentlichkeit und den Medien leider am Wissen, das vor Utopien schützt und das wichtige Vorhaben „Elektromobilität“ in die richtige Richtung dirigiert.
Dr. Wolfgang Lincke, Hannover


Lieber Dr. Lincke,

auch das zählt zu den angenehmen Überraschungen mit der Nationalen Plattform Elektromobilität: Die meisten von Ihnen genannten Themenfelder sind dort benannt und mit Arbeitsprogrammen hinterlegt, was allerdings noch nicht heißt, dass die Lösungen schon sichtbar seien. Auf die Tatsache, dass eine Millionen Fahrzeuge in Deutschland nur zwei Prozent vom Bestand bedeuten, haben wir übrigens auch schon mehrfach hingewiesen.

Zugegeben: Bei diesem Artikel ging es mir auch um die ganz persönliche Genugtuung des Batteriemannes Schwerdtmann, der am eigenen Leibe miterlebt hat, wie das Thema Elektroauto nach der Zurücknahme der Forderung nach ZEV Ende der 90ger Jahre fallengelassen wurde. Danach begann die Lopez-Ära mit dem Ausbluten der Erträge aus dem Starterbatteriegeschäft, dem Schließen der Batterie R&D in Deutschland und dem Ausverkauf der deutschen Batteriehersteller. Die müssen heute erst einmal wieder neu gegründet werden, um die ihnen zugedachte strategische Rolle übernehmen zu können.

Darf ich Ihren Beitrag wieder veröffentlichen?
Peter Schwerdtmann


Lieber Herr Schwerdtmann,

natürlich dürfen Sie das veröffentlichen. Ich verstehe, dass sich der „Batteriemann Schwerdtmann“ freut. Haben Sie aber auch Verständnis, dass der „Anwender Lincke“ mit Traktionsbatterien eine lange Leidensgeschichte durchgemacht hat, die meiner Meinung nach noch lange nicht ausgestanden ist. Wenn die Nationale Plattform auch die vielfältige und komplexe Problematik rund um die Elektromobilität beschreibt, dann sollte das einmal der viel zu euphorischen Laienwelt klar dargestellt werden. Eigentlich eine tolle Aufgabe für Motorjournalisten.


Lieber Dr. Lincke,

eine kleine Anekdote: Ich stehe – vermutlich 1979 – als frisch gebackener Mitarbeiter ziemlich allein am Vorabend der IAA auf unserem Varta-Pressestand in der (damals noch) Halle 5. Ihr damaligen Chef, Prof. Ulrich Seiffert, geht mit einem Kollegen (Waren Sie das?) an mir vorbei auf den BMW-Stand zu und sagt – deutlich vernehmbar: „Die Batterieindustrie lügt schneller, als ein Pferd Wasser saufen kann.“ Ich war damals echt empört. Die bessere Einsicht über das Thema Zusagen und Versprechungen kam erst ein paar Monate später, zum Beispiel als mich kurze Zeit später der damalige VW-Entwicklungsvorstand Prof. Ernst Fiala – wie Sie Träger des Goldenen VdM-Dieselrings – in Stuttgart am Flughafen auflas und mich in den VW-Jet komplimentierte, um mich auf dem Flug über Hannover nach Braunschweig zu fragen, warum sich Varta nicht mehr an der Entwicklung des Elektroautos beteilige. Es gibt eben immer zwei Seiten.


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Dr. Wolfgang Lincke.

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Foto: Auto-Medienportal.Net/privat

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