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Kommentar: Fortschritt durch Rückschritt?

Wer treibt den Fortschritt bei der Elektromobilität wohl mehr voran? AMG, die bei Mercedes-Benz für die PS-Kraftprotze zuständig sind oder die vielen neuen und oft kleinen Unternehmen, die darauf hinweisen, dass ihre E-Zwerge für nur zwei Euro 100 Kilometer weit fahren können. Die einen sprechen von Verzicht, die anderen von der puren Lust an Kraft und Geschwindigkeit – letztere Begriffe, die heute die gesellschaftliche Ächtung in sich tragen.

In einer offenbar vom Bundesverkehrsministerium mit getragenen „Mediaplanet“-Beilage mit dem Titel „Zukunftsfähige Städte“ durfte auch Karl Nestmeier, Chef der Smiles AG, seine Sicht der Elektromobilität der Zukunft beschreiben: Geringes Gewicht werden die Elektroautos haben, auf Fahrkomfort, Geräuschdämmung und anderen Luxus werden ihre Benutzer verzichten müssen. Liegt der Fortschritt also im Rückschritt? Brauchen wir keine Knautschzonen und stabilen Fahrgastzellen mehr? Wollen wir auf Raum für Passagiere und Gepäck verzichten, ohne Klimaanlage und Raumklang leben und die Navigation wieder dem Beifahrer mit Generalkarte überlassen?

In der Tat erinnert so manches Elektromobil, das heute schon seine Käufer sucht, an die führerscheinfreien Autos der fünfziger Jahre. Fahren möchte man mit Ihnen nicht, gegen ein Hindernis fahren schon gar nicht. Masse zu bewegen, kostet eben Energie, und die hat man auch bei modernen Batterien nie genug. Wer eine Batterie an Bord haben will, die so viel Energie liefern soll wie ein herkömmölicher Benzintank im Personenwagen, der muss sich mit einem Batteriegewicht von rund anderthalb Tonnen abfinden.

Daran ändert auch die Lithiumionen-Technologie nicht. Die ist zwar um ein Mehrfaches besser als der alte Blei-Säure-Akku. Aber Reichweiten, wie man sie heute gewohnt ist, wird auch sie nicht bieten. Fachleute halten bei ihr mittelfristig nur eine Verdopplung des Energievorrats für möglich.

Wer heute schon ein Elektroauto besitzt, mag sich damit trösten, dass er daheim in seiner Garage sein Auto über Nacht mit Strom versorgen kann, mit dem er am nächsten Tag weit genug fahren kann, um auch vom Land zum städtischen Arbeitsplatz und zurück zu pendeln. 80 Prozent aller Fahrten pro Tag führen über weniger als 50 Kilometer. Pendelt man tatsächlich rein batterieelektrisch, sind das schon einmal rund zwei Stunden im Elektroauto pro Tag – bei den zitierten Schlichtautos ohne Knautschzone, ohne Klimaanlage, ohne Musik und ohne Spaß. Da werden sich viele mit dem Preis für die Fahrt trösten müssen, um über die mitleidigen Blick der anderen hinwegschauen zu können.

Ein oder zwei Euro kostet das heute pro Tag. Aber dieser Preis gilt nur solange, wie das Elektroauto keine Massenerscheinung wird. Niemand wird so naiv sein zu glauben, dass die Energiekonzerne für Auto-Strom in Zukunft immer noch denselben Preis nehmen werden wie heute, wenn sie wissen, dass sich ein Auto vollsaugt. Spezialstecker und Kundenkarten werden das verhindern. Auch der Staat wird nicht auf irgendeine Art von Mobilitätssteuer verzichten wollen, wenn seine Einnahmen aus der Mineralölsteuer eines Tages wegen der Elektroautos deutlich sinken. Entweder wird er gleich an der Steckdose mitkassieren oder eine Pkw-Maut erheben.

Auch, wenn die Freunde des Elektroautos uns noch höhere Benznpreise an den Hals wünschen, damit wir unser Herz für die Elektromobilität entdecken – Mobilität wird zukünftig auch im Elektroauto ein teures Gut bleiben. In dieser Hinsicht ist kein Fortschritt zu erwarten.

Ähnliches kann man heute auch für das Design der Elektroautos feststellen. Beginnend mit den ersten milden Elekroautos, den Hybridfahrzeugen à la Prius sah man das Bemühen an, dem Betrachter schon über das Design zu zeigen, dass es sich um eine neue Fahrzeugklasse handelte, die niemand mit Diesel-Stinkern oder Benzin-Fressern verwechseln konnte.

Die Idee war richtig. Eine neue, zukunftweisende Mobilität braucht eine neue Ästhetik, aber doch nicht so eine abwegige, die fast nur unschöne und langweilige Autos zustande bringt. All diese ideenlosen Karossen, die überdachten Krankenfahrstühle für zwei bis vier Passagiere werden den Fortschritt des Elektroautos behindern, weil sie ihren Besitzer zwar als Öko outen, aber ihn gleichzeitig der alten Jesus-Latschen-Fraktion zuordnen. Die neue Öko-Fraktion sieht das anders.

5000 Computerbatterien mögen zwar eine schwer zu beherrschende Energiequelle sein. Aber in einer Lotus-Karosse und unter dem Namen Tesla für rund 100 000 Euro machen sie der Idee von der Elektromobilität gehörig Dampf. Auch der Volt von General Motors, der Ende 2011 als Opel Ampera auch nach Europa kommen wird, bringt die Elektromobilität nach vorn, auch wenn sein Konzept mit dem kleinen Motor und Generator als „Rangeextender“ für die Batterie eher exotisch wirkt.

Selbst der Smart Electric Drive wird der E-Mobilität Rückenwind verschaffen, auch wenn ein berühmter Rallyefahrer den kleinen Zweisitzer einst als Rollstuhl mit Motor bezeichnet hatte. Der Smart hat sich einen festen Platz als Lifestyle-Typ erobert. Da passt auch der Elektroantrieb. Mit seiner Kleinserie von 1500 Stück steht er heute prototypisch für Innenstadtfahrzeuge der Zukunft. Da er schon als Benziner oder Diesel trendy war, kann er es als E-Smart auch werden. Reichweite sind für ihn kein Kriterium, und bei aktuellen E-Smart muss auch niemand auf Komfort verzichten. Soviel bietet er nicht und ist trotzdem beliebt.

Vom Tesla Roadster führt ein direkter Weg zum Mercedes-Benz SLS AMG E-Cell, dem Supersportwagen mit Elektroantrieb. Der beschleunigt in rund vier Sekunden von null auf 100 km/h, fährt – gedrosselt – 250 km/h schnell und zeigte schon als Prototyp (noch mit den falschen Motoren und einer nicht technologisch ganz taufrischen Batterie) erstaunliche Fahreigenschaften. Aber mehr noch als diese Daten fasziniert das Gefühl, einen Supersportwagen zu fahren, mit allem Komfort, einem tollen Rundumsound in der Kabine, dem sagenhaften Fahrverhalten eines Allradlers.

Niemand wird behaupten, dass die Zukunft des Elekroautos nur von einem E-SLS belebt werden kann. Aber wir brauchen Autos, die elektrisch fahren und uns in puncto Sicherheit und Komfort nicht in die Kleinwagen der fünfziger Jahre zurückbefördern. Der E-SLS steht als Beispiel für Elekroautos, die uns nicht die Freude am Fahren nehmen werden, sondern unserer bisherigen Erfahrung eine neue hinzufügen, die Vorfreude generieren mag.

Fortschritt ensteht nicht durch Verzicht; Mobilität ist kein Spielfeld für Auto-Asketen. Wie schrieb unser Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Dr.Peter Ramsauer (CSU), im Vorwort zur Beilage „Zukunftsfähige Städte“: „Die Vernetzung unserer Städte durch ein gut ausgebautes Straßen- und Schienennetz ist eine Voraussetzung für die Entwicklung unseres Landes und unserer Städte.“ Er fügt hinzu: „Stadt und Verkehr gehören zusammen – nicht nur in meinem Ressort, sondern in jedem Rathaus.“ Beim Minister ist nicht die Rede davon, dass wir uns die Freude an der Mobilität von lustfeindlichen Autos in hässlichen Karossen vergällen lassen sollen. Was wir brauchen sind neue Konzepte auch beim Auto, so dass wir uns auf unsere Zukunft freuen können. (ampnet/Sm)





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Peter Schwerdtmann

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Mercedes-Benz SLS AMG E-Cell.

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Mitsubishi i-MiEV.

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Nissan Land Glider.

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Audi R 8 E-tron.

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