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Kommentar: Unter Elektro-Illusionisten

Bei keinem anderen Thema rund um die Mobilität mischen sich Daten und Postfaktisches, Vorurteile und Analysen sowie Fakten und Illusionen so, wie beim Thema Elektromobilität. Was da alles in diesen Topf gemischt wird, zeigt uns von kommender Woche an die North American International Auto Show (NAIAS) in Detroit und jetzt und hier schon eine der vielen Studien zum Thema, dieses Mal von den Marktforschern You Gov und dem Center of Automotive Management (CAM) unter dem Titel „E-Mobility – vom Ladenhüter zum Erfolgsmodell“.

Diese Studie verzichtet dankeswerter Weise auf den sonst üblichen Vorwurf, die deutsche Automobilindustrie habe die Elektromobilität verschlafen. Sie wirft den Herstellern nur noch vor, sie behinderten mit falscher Kommunikation den Durchbruch des Elektroautos.

In der Tat müssen sich die Hersteller den Vorwurf gefallen lassen, auf Schaufenster-Projekte verzichtet zu haben. Es gibt eben keinen deutschen „Tesla“ für die Gläubigen und die Freaks. Es fehlt auch ein deutscher „Faraday FF91“ mit 1050 PS, der in 2,4 Sekunden von null auf 100 km/h beschleunigt, von dem sicher auch mehr als eine Handvoll verkauft werden können, wenn er erst einmal fehlerfrei läuft.

Doch beide Exoten stehen nicht für den Einstieg in die Breite. Den müssen große Marken schaffen – entweder mit Elektroautos für Nischen, in denen der Einsatz heute schon sinnvoll ist oder mit Produkten, die in der Lage sind oder sein werden, den heutigen klassischen Familien-Personenwagen zu ersetzen. Beides müssen Menschen kaufen wollen; das Angebot allein erreicht nichts außer neuer Schelte über die Kommunikation der Hersteller.

Studien sind dabei wenig hilfreich, wenn ihre Zusammenfassung für die Verbreitung in Medien wieder dafür genutzt wird, die üblichen Vorurteile zu wiederholen: Preis. Reichweite, Ladezeiten und Ladestationen. Schlimmer wird es sogar noch, wenn die Vorteile der Elektromobilität aufgelistet werden: „Die Umweltfreundlichkeit (90 Prozent) spielt dabei als möglicher Anschaffungsgrund die wichtigste Rolle. Ebenfalls wichtig: weniger Lärm (82 Prozent), steuerliche Vorteile (81 Prozent) und geringe Verbrauchskosten (75 Prozent).“ Jeder Zweite ist nach der Studie bereit, in den kommenden vier Jahren den Kauf eines Elektroautos zu erwägen.

Ein ganz kleiner Faktencheck:

Umweltfreundlichkeit: Beim heutigen Energiemix liegt die Kohlendioxid-Emission für ein Elektroauto vom Bau bis zur Verschrottung höher als bei einem vergleichbaren Diesel.

Lärm: Das stimmt, solange die Fahrzeuge langsam fahren. Bei schnellerer Fahrt oder bei schlechter Fahrbahn entsteht das Geräusch zwischen Fahrbahn und Reifen, nicht wegen des Motors.

Steuerliche Vorteile: Wie lange wird der Finanzminister sich das wohl noch anschauen? Mit wachsender Zahl der Elektroautos wird seine Bereitschaft sinken, Vorteile zu finanzieren.

Verbrauchskosten: Wie lange werden die Energieversorger wohl den Strom noch zu Haushaltspreisen auch für Elektroautos abgeben?

Hat sich schon einmal jemand überlegt, was wäre, wenn in den kommenden vier Jahren am Ende wirklich jeder Zweite ein Elektroauto gekauft hat. Das wäre gut zwei Millionen Stück. Wo sollen die laden? Hält unser Stromnetz das aus? Wie organisiert man das in Städten? Schon diese drei Fragen zeigen, welche schwierigen, langen und teuren Weg wir bei der Umstellung auf Elektromobilität vor uns haben.

Warum fragt eine so breit angelegte Studie nicht, wie die Menschen, die die Fakten kennen, die Entwicklung sehen? Statt dessen fragen Studien wie diese ab, wie tief die Illusionen dem Auto-Interessenten bereits in den Knochen stecken.

So reihen sich auch You Gov und das Center for Automotive Management in die Reihe derer ein, die Illusionen fördern, damit „politisch korrekte“ Antworten abrufen und im selben Atemzug Zweifel sähen. Die beiden sind damit nicht allein.

Nichts leichter, als die Fragen für eine Studie zur Elektromobilität so zu stellen, dass die gewünschten Antworten dabei herauskommt. Der Elektromobilität hilft das nicht weiter. Um sie durchzusetzen, brauchen wir einen ausgeprägten Sinn fürs Machbare und keine Illusionisten, die uns eine Zukunft vorgaukeln, die so nicht kommen kann. (ampnet/Sm)

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Peter Schwerdtmann

Peter Schwerdtmann

Foto: Auto-Medienportal.Net

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